November 2019

Komödie in zwei Akten von Gilles Dyrek
Deutsch: Annette und Horst Bäcker; Bearbeitung und Regie: Susan Saladin
Aufführungsrechte: Theater Verlag Desch GmbH

Zufällig hat Jean-Luc (Heinz Röllin) seinen früheren Arbeitskollegen Simon (Christoph Vögtli) angetroffen und ihn spontan samt dessen neuer Freundin Patricia (Stephanie Stadler) zum Abendessen bei sich und seiner Gattin Nathalie (Sylvia Marcionelli) eingeladen. 

Während die turtelnden Gastgeber in ihrer im Umbau befindlichen Wohnung das Essen vorbereiten und nebenbei noch ihre Silberhochzeit organisieren, treffen leicht verspätet die Gäste ein. 

Die kapriziöse Patricia, die sich zuvor heftig mit Simon gestritten hatte, gibt deutlich zu verstehen, dass sie absolut keine Lust auf ein Nachtessen mit Leuten hat, die sie nicht kennt. Wütend beschliesst sie deshalb, während des ganzen Abends kein Wort zu sprechen, was dazu führt, dass die Gastgeber denken, sie sei Ausländerin.

Nach einiger Zeit gewinnt Patricia jedoch Spass an der Situation. Sie beginnt in einer Phantasiesprache zu sprechen und erfindet ein von Not und Armut geschlagenes Heimatland. Als ihr die Gastgeber Geschenke für die notleidende Bevölkerung aufdrängen, greift sie erfreut zu und hat einen Heidenspass daran, die beiden zu immer weiteren «guten Taten» für ihre Landsleute zu animieren, bis das Ganze fast zur Tragödie ausartet …

«Venedig im Schnee» ist eine gelungene Mischung aus intelligenter Komödie und bissiger, französischer Gesellschaftssatire – ein Stück voller geschliffener Pointen, charmant und umwerfend komisch.

Pressestimme

BERICHT: THOMAS BRUNNSCHWEILER / Wochenblatt vom 28.11.19

Wenn eine Einladung aus dem Ruder läuft

Die Komödie «Venedig im Schnee», die das Theater Gempen noch zweimal spielt, ist das, was man einen «Brüller» nennt. Das gleichermassen witzige wie intelligente Kammerspiel sollte man nicht verpassen.

Was gibt es Grausameres als die perfide Rache einer kapriziösen Frau? Eine solche Rache muss Simon erleiden, als er mit seiner Freundin Patricia zu einem Jugendfreund eingeladen ist. Simon und Patricia haben eben erst gestritten. Sie hat absolut keine Lust auf einen Abend bei Nathalie und Jean-Luc. Die Gastgeber turteln, werfen sich Kusshändchen zu und betiteln sich permanent mit «Chouchou». Patricia hingegen wendet eine wirksame List an. Sie sagt kein Wort und scheint stumm zu sein. Jean-Luc und Nathalie haben bald den Verdacht, Patricia sei Ausländerin und verstehe kein Schweizerdeutsch. Irgendwann bringt Nathalie die Frage vor: «Woher du kommen?». Patricia bekommt Spass an der Situation und sagt: «Chouwenia!». Sie beginnt in einer Fantasiesprache zu reden und erfindet ein von Not und Armut geschlagenes Heimatland. Das wiederum bringt Jean-Luc und Nathalie dazu, Patricia Geschenke für die notleidende Bevölkerung in Chouwenien aufzudrängen. Simon kocht innerlich vor Wut und versucht alles, die Situation zu klären. Die Gastgeber haben jedoch nur die Organisation ihrer silbernen Hochzeit im Kopf und nerven damit ihre Gäste. Der Schluss soll nicht verraten werden. «Venedig im Schnee» von Gilles Dyreck ist ein gelungener Mix aus intelligenter Komödie und bissiger französischer Gesellschaftssatire – charmant und umwerfend komisch.

Ideale Besetzung

Ein Stück mit nur vier Personen stellt hohe Ansprüche an deren Präsenz und Memorierfähigkeit. Sylvia Marcionelli, die seit Anfang im Jahre 1978 dabei ist, mimt Nathalie mit ihrer Überspanntheit und der fast ausufernden Hilfsbereitschaft bestens, wobei sie auch das Entgleisen von Nathalies Contenance glaubwürdig spielt. Heinz Röllin, auch schon seit 1998 bei der Truppe, spielt Jean-Luc, der sich eher knausrig zeigt und am Ende auch noch widerwillig den Fernseher verschenkt. Chritoph Vögtli, ein Theater-Naturtalent, versinkt als Simon immer mehr im Sumpf der Verzweiflung und bringt diese mimisch auch wunderbar über die Rampe. Schliesslich ist Stephanie Stadler als intrigante Patricia der heimliche Star des Abends. Sie interpretiert die Rolle mit wechselnder Mimik und köstlichem Sprachwitz. Susan Saladin hat mit diesem Stück ein gutes Händchen bewiesen. Man kann es als reine Komödie geniessen, aber zusätzlich auch als Gleichnis einer verlogenen Gesellschaft, in der Ressentiments und Vorurteile gegenüber richtigen oder vermeintlich Fremden herrschen. Bühnenbau und Licht von Thomas Schmidli passen perfekt zum Provisorium einer noch nicht ganz fertig eingerichteten Wohnung.

«Venedig im Schnee» – die Bedeutung des Titels wird erst am Schluss aufgelöst – ist wirklich sehenswert.